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Einleitung
Die KI-Verordnung (KI-VO, Verordnung (EU) 2024/1689) definiert den Rechtsrahmen für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Europäischen Union. Künstliche Intelligenz soll nicht nur innovativ, sondern auch sicher, transparent und grundrechtskonform sein.
Damit das effizient gelingt, brauchen Unternehmen ein strukturiertes KI-Managementsystem – das organisatorische Herzstück, um die Anforderungen der KI-Verordnung systematisch umzusetzen. Dieser Beitrag zeigt Schritt für Schritt, wie ein KI-Managementsystem aufgebaut wird, welche Dokumentationspflichten sich aus der KI-VO ergeben, und welche Parallelen zum Datenschutz-Managementsystem (DSMS) bestehen.
Was ist ein KI-Managementsystem?
Ein KI-Managementsystem ist ein organisatorischer Rahmen, mit dem Unternehmen den Entwurf, Einsatz und Betrieb von KI-Systemen sicher und rechtskonform steuert. Ziel ist es, Transparenz, Fairness, Sicherheit und Nachvollziehbarkeit über den gesamten Lebenszyklus eines KI-Systems sicherzustellen.
Kernaufgaben eines KI-Managementsystems:
- Governance und Verantwortlichkeiten definieren
- Risiken systematisch bewerten und dokumentieren
- Datenqualität und Modelltransparenz sicherstellen
- KI-Systeme inventarisieren und klassifizieren
- Transparenzpflichten umsetzen
- Audits, Monitoring und kontinuierliche Verbesserung etablieren
Im Prinzip ist ein KI-Managementsystem das, was ein Datenschutz-Managementsystem (DSMS) für personenbezogene Daten ist – nur erweitert um algorithmische und ethische Dimensionen. Daher bieten es sich an, ein integriertes Managementsystem für beide Rechtsgebiete zu konzipieren. Keyed bietet eine solche Lösung für Unternehmen an.
Warum Unternehmen ein KI-Managementsystem brauchen
Die KI-Verordnung ist die erste weltweit umfassende Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Sie verfolgt einen risikobasierten Ansatz: Je größer die potenziellen Auswirkungen eines KI-Systems auf Menschenrechte, Sicherheit oder Grundfreiheiten, desto strenger die Anforderungen.
Unternehmen, die KI-Systeme entwickeln, bereitstellen oder einsetzen, sind verpflichtet, Risiken zu bewerten, Transparenz herzustellen, die Qualität ihrer Daten zu sichern – und den gesamten Lebenszyklus ihrer KI-Systeme zu dokumentieren.
Daraus folgt: Compliance mit der KI-Verordnung ist keine Einzelmaßnahme, sondern eine fortlaufende Managementaufgabe. Ein KI-Managementsystem schafft dafür die Strukturen: Verantwortlichkeiten, Prozesse, Richtlinien, Dokumentation und kontinuierliche Verbesserung – analog zu bewährten Konzepten aus Datenschutz und Informationssicherheit.
Anforderungen aus der KI-Verordnung
Die KI-Verordnung unterscheidet vier Risikostufen:
- Verbotene KI-Systeme (z. B. manipulative oder diskriminierende Systeme)
- Hochrisiko-KI-Systeme (z. B. im Gesundheitswesen, Bildungsbereich, bei Einstellung, Kreditvergabe, Strafverfolgung)
- Begrenzte Risiken (Transparenzpflichten, z. B. Chatbots, Deepfakes)
- Minimale Risiken (z. B. KI-gestützte Spielempfehlungen)
Für Hochrisiko-Systeme schreibt die KI-VO ein Qualitäts- und Risikomanagementsystem ausdrücklich vor (Art. 9), das u. a. folgende Anforderungen abdecken muss:
- Risikomanagement-Prozess über den gesamten Lebenszyklus
- Daten- und Datenqualitätsanforderungen (Art. 10)
- Technische Dokumentation (Art. 11, Anhang IV)
- Protokollierung und Nachvollziehbarkeit (Art. 12)
- Transparenz und Instruktionen für Nutzer (Art. 13)
- Human Oversight (Art. 14)
- Robustheit, Genauigkeit und Cybersicherheit (Art. 15)
- Post-Market-Monitoring (Art. 72)
Diese Elemente bilden das Fundament jedes KI-Managementsystems.
Synergien zwischen Datenschutzmanagement & KI-Management
Viele Unternehmen verfügen bereits über ein Datenschutz-Managementsystem (DSMS), etwa nach ISO 27701 oder als Teil eines ISMS nach ISO 27001. Ein KI-Managementsystem kann nahtlos darauf aufbauen – denn die Prinzipien sind vergleichbar:
| Datenschutz-Managementsystem | KI-Managementsystem | |
| Ziel | Schutz personenbezogener Daten (DSGVO) | Sicherer und ethischer Einsatz von KI (KI-VO) |
| Risikobezug | Datenschutz- und Sicherheitsrisiken | Algorithmische, ethische und Grundrechtsrisiken |
| Governance | Datenschutzbeauftragter (DSB) | KI-Beauftragter |
| Dokumentation | Verarbeitungsverzeichnis, DSFA | KI-Verzeichnis, GRFA, technische Dokumentation |
| Transparenz | Informationspflichten | Transparenz- und Kennzeichnungspflichten |
| Kontrollen | Datenschutz-Audits | KI-System-Audits, Bias-Tests, Monitoring |
| Nachweis | Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) | Compliance-Dokumentation (Art. 11 KI-VO) |
Wer bereits Datenschutzprozesse etabliert hat, kann viele Elemente übernehmen – insbesondere Governance-Strukturen, Schulungen, Auditverfahren und die Logik des kontinuierlichen Verbesserungszyklus (PDCA).
Aufbau eines KI-Managementsystems
Schritt 1: Verantwortlichkeiten
Ein KI-Managementsystem braucht klare Verantwortlichkeiten:
- KI-Beauftragter / AI Officer: zentrale Ansprechperson für KI-Compliance
- Technische Leitung: Qualitätssicherung, Datenmanagement
- Compliance & Datenschutz: Schnittstellen zu bestehenden Systemen
- Top-Management: Freigabe, Ressourcen, regelmäßige Reviews
Ein KI-Board oder „AI Governance Committee“ kann Entscheidungen zu Risikobewertungen, Freigaben und Eskalationen treffen.
Diese Strukturen werden im KIMS dokumentiert (z. B. „Governance-Richtlinie KI“).
Schritt 2: Risikoanalyse und Risikoklassifizierung
Herzstück der KI-Verordnung ist die Risikoklassifizierung.
Unternehmen müssen für jedes KI-System prüfen, ob es in den Anwendungsbereich des Anhangs III fällt (z. B. Beschäftigung, Bildung, Strafverfolgung). Das Ergebnis ist dann:
- Nicht-hochrisikobegründung (Art. 6 Abs. 3) oder
- Klassifizierung als Hochrisiko-KI-System mit Folgepflichten.
Im KI-Managementsystem wird dies in einem „Risikoklassifizierungsbericht“ dokumentiert – inklusive Begründung, Bewertung und Freigabe durch das KI-Governance-Team.
Schritt 3: Das KI-Verzeichnis
Analog zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten im Datenschutz muss ein Unternehmen ein KI-Verzeichnis führen.
Dieses enthält für jedes System u. a.:
- Name, Version, Anbieter, Verantwortliche
- Zweck und Anwendungsbereich
- Trainings- und Einsatzdaten
- Risikoklasse (inkl. Begründung)
- Transparenzpflichten
- Ergebnisse der Grundrechte-Folgenabschätzung (GRFA)
- Status (Entwicklung, Test, Betrieb)
- Verweise auf technische Dokumentation
Für Hochrisiko-Systeme ist zusätzlich eine Registrierung in der EU-Datenbank (Art. 49 ff.) erforderlich. Das KI-Managementsystem sollte Schnittstellen zur Compliance (z.B. über die Assets) schaffen, um Änderungen automatisch zu erfassen.
Fazit: Das KI-Managementsystem als Zukunftsfaktor
Die EU-KI-Verordnung verpflichtet Unternehmen nicht nur, Risiken zu vermeiden – sie verlangt einen nachweisbaren Rahmen für verantwortungsvolle KI.
Ein gut aufgebautes KI-Managementsystem liefert genau das: Struktur, Nachvollziehbarkeit und Vertrauen.
Wer früh beginnt, profitiert doppelt:
- Rechtssicherheit gegenüber Behörden
- Wettbewerbsvorteil durch glaubwürdige KI-Governance
- Zeitersparnis bei Harmonisierung zwischen DSGVO & KI-VO
Wie beim Datenschutz gilt: Der Aufbau kostet zunächst Ressourcen, aber langfristig zahlt sich ein strukturiertes Managementsystem aus – rechtlich, technisch und reputativ.
