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Zusammenfassung
Mit der KI-Verordnung der EU (KI-VO / AI Act) stehen Unternehmen vor neuen rechtlichen Anforderungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Eine der zentralen Fragen dabei lautet: Bin ich Anbieter oder Betreiber eines KI-Systems? Die Antwort darauf ist entscheidend, denn die KI-VO knüpft weitreichende Pflichten genau an diese Rollen.
Dieser Beitrag erklärt verständlich und praxisnah, worin der Unterschied zwischen Anbieter und Betreiber nach der KI-VO besteht. Er zeigt, wann Betreiber zu Anbietern werden, welche typischen Grenzfälle es gibt und welche gesetzlichen Grundlagen maßgeblich sind.
Warum die Abgrenzung zwischen Anbieter und Betreiber so wichtig ist
Die KI-VO unterscheidet klar zwischen den Rollen Anbieter und Betreiber. Beide Rollen unterliegen unterschiedlichen Anforderungen. Anbieter tragen in der Regel deutlich umfangreichere Pflichten als Betreiber – etwa in Bezug auf Risikomanagement, technische Dokumentation und Konformitätsbewertung bei Hochrisiko-KI.
Eine falsche Einordnung kann dazu führen, dass:
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gesetzliche Pflichten nicht erfüllt werden,
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Haftungsrisiken unterschätzt werden,
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Bußgelder drohen.
Gerade Unternehmen, die KI-Systeme anpassen, integrieren oder weiterentwickeln, bewegen sich schnell in einem Graubereich.
Was ist ein Anbieter nach der KI-VO?
Ein Anbieter ist nach Art. 3 Nr. 3 KI-VO jede natürliche oder juristische Person, die ein KI-System:
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entwickelt oder entwickeln lässt und
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es unter eigenem Namen oder eigener Marke
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in Verkehr bringt oder in Betrieb nimmt.
Einfach gesagt: Auch Unternehmen, die KI-Systeme als Teil eines Produkts vertreiben, KI-Software als SaaS anbieten, ein bestehendes KI-System wesentlich verändern (Agenten, RAG-System) können als Anbieter gelten.
Was ist ein Betreiber nach der KI-VO?
Ein Betreiber ist nach Art. 3 Nr. 4 KI-VO eine Person oder Organisation, die ein KI-System:
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im eigenen Verantwortungsbereich einsetzt,
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ohne es selbst anzubieten oder zu vertreiben.
Betreiber ist also, wer ein KI-System lediglich intern nutzt. Typische Betreiber sind Unternehmen oder Behörden, die KI z.B.: im HR-Bereich, im Vertrieb, im Kundenservice, zur Analyse oder Entscheidungsunterstützung einsetzen. Betreiber können natürlich auch zu einem Anbieter werden. In der Praxis ist genau dieser Punkt kritisch. Die KI-VO sieht vor, dass ein Betreiber zum Anbieter wird, wenn er ein KI-System wesentlich verändert. Typische Fälle, in denen Anbieterpflichten entstehen können:
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Eigenes Fine-Tuning oder Retraining eines Modells mit unternehmensspezifischen Daten
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Integration der KI in ein eigenes Produkt, das weitergegeben oder verkauft wird
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White-Label-Lösungen, die unter eigener Marke angeboten werden
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Funktionsänderungen, die Einfluss auf Zweck oder Risiko haben
Orientierungshilfe: Anbieter oder Betreiber?
Um zu entscheiden, in welcher Rolle ein Unternehmen bei Nutzung eines KI-Systems agiert, kann die nachfolgende Tabelle als Orientierung herangezogen werden.
| Prüffrage | Wenn Ja | Wenn Nein | Erläuterung / Praxisbeispiel |
|---|---|---|---|
| 1. Entwickeln wir ein KI-System selbst oder lassen es für uns entwickeln? | Anbieter | weiter zu 2 | Auch Eigenentwicklungen für den internen Einsatz begründen eine Anbieterrolle |
| 2. Nehmen wir ein KI-System erstmals in Betrieb (auch nur für den Eigengebrauch)? | Anbieter | weiter zu 3 | „Inbetriebnahme“ i. S. d. KI-VO umfasst auch erstmalige interne Nutzung |
| 3. Stellen wir ein KI-System Dritten bereit (z. B. Verkauf, SaaS, App, Plattform)? | Anbieter | weiter zu 4 | Klassischer Marktzugang → Anbieter |
| 4. Tritt das KI-System unter unserem Namen oder unserer Marke auf (inkl. White-Label)? | Anbieter | weiter zu 5 | Markenauftritt ist ein starkes Anbieter-Indiz |
| 5. Integrieren wir das KI-System in ein eigenes Produkt oder einen eigenen Service, der an Dritte abgegeben wird? | Anbieter | weiter zu 6 | Auch bei Nutzung eines Drittmodells bleibt der Integrator Anbieter |
| 6. Nutzen wir ein KI-System ausschließlich intern, ohne es bereitzustellen oder zu vermarkten? | Betreiber | weiter zu 7 | Typischer Anwendungsfall für Unternehmen |
| 7. Bestimmen wir Zweck, Einsatzregeln und Nutzungskontext der KI im eigenen Verantwortungsbereich? | Betreiber | weiter zu 8 | Betreiber steuern den Einsatz, nicht die Systementwicklung |
| 8. Verändern wir das KI-System wesentlich (z. B. Retraining, Fine-Tuning, neue Zweckbestimmung)? | Betreiber kann zum Anbieter werden | weiter zu 9 | Wesentliche Änderungen gelten als neues KI-System |
| 9. Nutzen wir ein externes KI-Tool „as is“, ohne technische oder funktionale Anpassung? | Betreiber | weiter zu 10 | Standardfall bei KI-Tools und Plattformen |
| 10. Erbringen wir eine KI-gestützte Leistung für Dritte, bei der die KI Teil des Leistungsversprechens ist? | Anbieter | Betreiber, wenn rein unterstützend | Maßgeblich ist, ob KI selbst Gegenstand der Leistung ist |
